Über Graubünden zum König der Alpenpässe #1

Unsere Entscheidung, nicht zur Lavendelblüte in die Provence zu fahren, fällt erst auf der Autobahn 40 km hinter Basel. Die Sonne brennt trotz Klimaanlage hinter der Scheibe und kurzentschlossen biegen wir ab Richtung Innerschweiz. Hier springen wir zur Abkühlung schnell in einen unserer Lieblingsseen, den Lungernsee, bevor es zum Oberalppass geht, der uns in den Kanton Graubünden führen wird. Dass wir in den nächsten Tagen auch noch einen der bekanntesten Alpenpässe in Südtirol, das Stilfser Joch, befahren werden, ahnen wir zu diesem Zeitpunkt nicht. 

Schöllenenschlucht mit Teufelsbrücke

Auf dem Weg zum Oberalppass passieren wir die durch den Fluss Reuss geschaffene Schöllenenschlucht, die lange Zeit ein schwer zu überwindendes Hindernis auf dem Weg über den Gotthardpass war.  In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts baute man die 1. sogenannte Teufelsbrücke aus Holz über die Schlucht, bevor diese nach mehr als 350 Jahren durch eine Steinbrücke ersetzt wurde. Hier sieht man die über den Fluss führende 2. und 3. Teufelsbrücke. Die 1. – einer Sage zufolge vom Teufel errichtet und deshalb so genannt – existiert nicht mehr. Der Verkehr heute läuft über die 3. Brücke und durch den Fadeggtunnel, an dessen Südportal seit 75 Jahren ein Teufelsbild zu sehen ist. Im Sommer kann man auf einem 30-minütigen Rundweg einen Teil der Schlucht erkunden und dabei auch diesen Militärstollen durchlaufen. Heute sind einige Schulklassen unterwegs und es ist mächtig was los.

Auf dem Weg zur Schöllenenschlucht
Blick auf die Teufelsbrücken

Über den Oberalppass

Kurz hinter der Schöllenenschlucht in Andermatt beginnt dann auch schon die Auffahrt zum Oberalppass. Es beginnt zu regnen und wir werden uns nur kurz dort oben aufhalten. Wir haben aber wieder mal Glück und liefern uns wie schon so oft ein Rennen mit dem Glacier Express, neben dem wir eine Weile auf der Passstraße her fahren.

Die Abfahrt vom Pass Richtung Chur ist immer wieder herrlich. Die Sonne kommt raus und wir genießen die Fahrt durch das Tal des jungen Rheins, der am Oberalppass entspringt.

Glacier Express auf dem Weg zum Oberalppass
Passhöhe

Landwasser-Viadukt

Vom Oberalppass zum Albulapass sind es 130 km. Bei Thusis biegen wir links ab Richtung Tiefencastel und folgen den Schildern Albulapass. Eine Sehenswürdigkeit, die man schon von der Straße aus einiger Entfernung sieht, solltet ihr euch bei dieser Gelegenheit nicht entgehen lassen. Das Wahrzeichen der Rhätischen Bahn, das Landwasserviadukt liegt nicht weit von der Straße entfernt und man kann in 15 Minuten von einem Parkplatz zum Fundament der Eisenbahnbrücke laufen. Das 65 Meter hohe Viadukt ist ein Meisterwerk der Ingenieurskunst und Unesco-Welterbe. Eisenbahnfans lieben es, wenn einer der roten Züge die Brücke überquert und danach direkt im Landwassertunnel verschwindet. Am Aussichtspunkt Schlitten, zu dem es steil hochgeht, hat man den besten Ausblick, aber weil es immer wieder regnet, muss uns heute eine Aufnahme der Drohne reichen. Dabei erwischen wir den Bernina-Express, der kurz zuvor in Filisur abgefahren ist.

TIP: Studiert vorher den Fahrplan. Dann müsst ihr nicht lange warten, bis ein Zug das Viadukt befährt. 1) Ca. 5 Minuten nach Abfahrt in Filisur kommt der Zug aus dem Tunnel raus https://www.rhb.ch/fileadmin/user_upload/redaktion/Dokumente/Bahnhoefe/Abfahrt/Filisur_Ab.pdf

2) In der Gegenrichtung von Tiefencastel kommend dauert es ungefähr 10 Minuten, bis der Zug am Viadukt ankommt (https://www.rhb.ch/fileadmin/user_upload/redaktion/Dokumente/Bahnhoefe/Abfahrt/Tiefencastel_Ab.pdf)

am Fundament des Landwasser-Viadukts
Viadukt von oben mit Bernina-Express

Über den Albulapass

Ab Bergün beginnt dann die eigentliche Auffahrt zum Albulapass. Diese dürft ihr nur befahren, wenn ihr nicht höher als 3,30 m und breiter als 2,30 m seid, denn die Albulabahn kreuzt immer wieder die Strecke und die Torbögen der Brücken sind für größere Fahrzeuge nicht passierbar. Auch Anhänger sind nicht erlaubt. Wenn ihr so wie wir schon spät dran seid, empfiehlt sich eine Übernachtung auf dem Stellplatz Bergün kurz hinter dem Ortsende (25 CHF ohne jeglichen Service). Auf dem Albulapass selbst ist das Übernachten mittlerweile nicht mehr erlaubt.

Die Passauffahrt ist eine der schönsten, die ich kenne und bei schönem Wetter ein Gedicht. Ca. 8 km hinter Bergün gibt es einen winzigen Parkplatz rechts der Straße und wenn zufällig ein Platz frei ist, solltet ihr hier stoppen und zum nur 5 Minuten entfernten Palpuogna-See laufen. Das Panorama ist perfekt und besonders im Herbst, wenn sich das Laub verfärbt und die Wasseroberfläche spiegelglatt ist, gibt es keinen schöneren Anblick. Knapp 6 km später erreichen wir dann auch schon die Passhöhe, die wie immer ein beliebter Treffpunkt für Motorrad- und Radfahrer ist.

Der 2.315 m hohe Albulapass verbindet das Albulatal mit dem Engadin und bildet die Wasserscheide zwischen Nordsee und Schwarzem Meer. Die Wintersperre dauert recht lang (Okt – Mai), auch wegen der 6 km langen Schlittelstrecke zwischen Preda und Bergün, die auf der Passstraße verläuft. Adriano ist mit dem Schlitten vor langer Zeit dort runter gefahren und berichtet immer wieder begeistert davon, wenn wir hier sind. 

Bei unserer Kaffeepause hier oben kommt spontan die Idee auf, 3 zusätzliche Pässe anzufahren und anstatt umzudrehen geht es nun kurzerhand den Albulapass hinunter ins Engadin.

Palpuogna-See
Albulapass von oben

Über den Ofenpass

Zunächst erreichen wir vom Albulapass kommend die Gemeinde La Punt und das Inntal, der Namensgeber für das Engadin ist. Dem Flussverlauf folgend fahren wir bis Zernez und biegen dort rechts ab zum Ofenpass. Die Strecke verläuft durch den einzigen Schweizer Nationalpark, ist sehr gut ausgebaut und als Passstraße nicht sonderlich spektakulär. Wenn man Zeit hat, kann man im Nationalpark herrliche Wanderungen unternehmen. Wir steuern wegen der Hitze aber direkt den Pass an, machen nur einen kurzen Fotostop und sind kurze Zeit später im Münstertal (rätoromanisch Val Müstair).

Durchs Münstertal ins Vinschgau (Südtirol)

Die Ortsdurchfahrt in Santa Maria ist wirklich sehr eng. Man kann von Glück reden, wenn nicht zu viel Gegenverkehr ist, und falls doch, dann hoffentlich nur Pkw’s, denn Ausweichstellen gibt es nicht viele. Hinzu kommen Dachüberstände und Balkone – mal wieder nichts für schwache Nerven. 

Nun ist es nicht mehr weit bis zur italienischen Grenze. Weil auch in Italien das Freistehen nicht erlaubt ist, steuern wir einen offiziellen Stellplatz in Glurns an. Gerne wären wir bei der Hitze zum Schlafen in die Höhe gefahren, aber jetzt noch etwas zu suchen – dafür ist es zu spät. Wo wir in dieser Nacht landen und wie gut sich der König der Alpenpässe, das Stilfser Joch, mit dem Camper befahren lässt – das erzählen wir euch im nächsten Blog.

entgegen kommendes Postauto im engen Santa Maria
Grenze Italien (Südtirol)

Übernachtungstipps (Stand Juni 2025)

In einigen Kantonen der Schweiz ist das Freistehen mittlerweile verboten, so auch im Kanton Graubünden. Das heißt, ihr müsst Stellplätze (falls überhaupt vorhanden) oder Campingplätze anfahren. Es gibt immer noch Camper, die das ignorieren und versuchen, sich irgendwo zu „verstecken“, aber wenn man erwischt wird, sind die Bußgelder wirklich hoch (300 CHF oder mehr sind da möglich). Auch die „alte Regel“, dass es oberhalb der Baumgrenze toleriert wird, gilt in Graubünden nicht mehr.

Oberalppass: Genau über den Pass verläuft die Grenze zwischen dem Kanton Uri und Graubünden. Wenn man also hier oben schlafen möchte, muss man drauf achten, dass man kurz vor der Passhöhe von Andermatt kommend links auf den Schotterweg abbiegt (unter der Bergbahn durch). Hier befindet man sich noch auf Uri-Gebiet und entlang dieses Wegs stehen oft einige Wohnmobile am Rand und verbringen hier eine Nacht.

Albulapass: Auf der Passhöhe stehen überall Verbotsschilder. Daher ist es empfehlenswert, vor der Auffahrt am Ortsausgang von Bergün auf dem offiziellen Stellplatz bei der Talstation einer Bergbahn zu übernachten und erst am nächsten Morgen hochzufahren. Der Stellplatz ist ohne jeglichen Service, nicht besonders hübsch, aber zweckmäßig und nachts auch ziemlich ruhig. Kosten pro Nacht 20 CHF plus 3 CHF pro Person. Für nur 6 CHF mehr (32 CHF bei 2 Personen) ist der Campingplatz Albula ein kleines Stückchen weiter sicher die schönere Alternative.