Stilfser Joch – König der Alpenpässe mit dem Camper #2

Es geht mit dem Campervan auf den König der Alpenpässe, dem Stilfser Joch. Die 48 Kehren der Ostrampe sind mit Wohnmobil fahrtechnisch anspruchsvoll, aber machbar und wir erzählen euch, was man bei der Befahrung alles beachten sollte. Die letzte Nacht verbrachten wir auf einem Stellplatz nahe der Gemeinde Glurns und haben so einen idealen Ausgangspunkt für unser heutiges Ziel.

Blick auf die letzten Kehren vor der Passhöhe

Infos zum Stilfser Joch

Diese herausragende Passhöhe ist mit 2.760 Metern nur wenig niedriger als der höchste asphaltierte Alpenpass Col de l’Iseran in Frankreich und in der Regel von Mitte Mai bis Ende Oktober geöffnet. 

Von Südtirol aus sind auf 25 Kilometern 1846 Höhenmeter zu bewältigen. Schilder weisen darauf hin, dass eine Mindestprofiltiefe von 4 mm Pflicht ist, weil es auch im Sommer plötzliche Schneefälle geben kann. Aus diesem Grund sind wir z.B. immer mit Ganzjahresreifen unterwegs. 

Fahrzeugmaße: Auf der Südtiroler Seite mit den 48 Kehren gilt eine Längenbeschränkung von zehneinhalb Metern, jedoch keine Höhen- oder Breitenbeschränkung. Auf der Veltliner Westseite ist die Höhe wegen vieler Tunnel auf 3,30 Meter beschränkt, dafür ist die Länge egal.

Die zahlreichen Spitzkehren, meist mit einer 180-Grad-Wendung, haben einen sehr kleinen Radius. Je nach Radstand und Fahrzeuglänge kann es also durchaus sein, dass ihr mit eurem Camper nicht in einem Zug um die Kurve kommt, besonders dann, wenn ihr in einer Rechtskurve innen fahren müsst, weil jemand entgegen kommt. Im Video werdet ihr ab und zu hören, wie ich zu Adriano ist frei oder ok sage. Für den Fahrer ist es nämlich hilfreich, wenn der Beifahrer in Rechtskurven aus dem Seitenfenster schaut und ansagt, ob von oben Gegenverkehr zu erwarten ist. Kommt keiner, kann man die Kurve dann weiter außen anfahren. 

mind. 4mm Reifenprofil
Fahrzeugmaße beachten
enge Spitzkehren

Andrang: Was die ganze Sache nicht einfacher macht, sind die zahlreichen Motorrad- und Radfahrer. Von Ersteren wird man gerne rasant und auch mal an unmöglichen Stellen überholt, die Letzteren kommen bei einer Steigung von durchschnittlich 10 % ab und zu ins Wackeln und verengen die Fahrbahn zusätzlich. In Südtirol hat man zwischen Prad und Stilfserbrücke einen separaten Radweg gebaut – der endet aber weit vor den beginnenden Kehren. Aus der Radsportszene kommt übrigens auch die Bezeichnung König der Alpenpässe, weil es wohl das Höchste ist, einmal im Leben diese Strecke bewältigt zu haben. An den Wochenenden herrscht grundsätzlich mehr Verkehr. Besonders am 1. Juliwochenende, wenn sich traditionell Motorradfahrer zu einem großen internationalen Biker-Treffen auf der Passhöhe versammeln. 

Pass-Sperren: Über eventuelle Pass-Sperren sollte man sich ebenfalls vorher informieren. Zum Beispiel wird einmal jährlich am Radtag Stilfser Joch ab Trafoi die Straße für den motorisierten Verkehr von 8 bis 16 Uhr gesperrt, auf der Westseite ebenso bis Bormio im Veltlin oder Santa Maria in der Schweiz. In diesem Jahr, 2025, findet das Event am 30. August statt. Jeder gut trainierte Freizeitfahrer kann ohne Anmeldung mitmachen und es werden wieder mehrere tausend Teilnehmer erwartet.

Websites mit Infos zu Pass-Sperren und aktuellen Verkehrssituationen

https://www.alpenpaesse.de/alpenpaesse/stilfser-joch-passo-dello-stelvio

https://www.suedtirol.com/verkehr/berg-paesse

Auffahrt Ostrampe über Trafoi

Kurz vor Trafoi geht es los mit den Kehren. Diese sind durchnummeriert, allerdings von oben nach unten in einer Art Countdown, d.h. kurz unterhalb der Passhöhe befindet sich die Nr. 1 und unten die Nr. 48.

Auch wenn heute Mittwoch ist, also kein Wochenendverkehr herrscht, werden wir immer wieder von Motorradfahrern überholt – umgekehrt passieren wir die bei 10% Steigung besonders in den Kehren langsamen Radfahrer. Die meisten Biker sind sehr diszipliniert, aber einige wenige überholen auch mal an unmöglichen Stellen. So z.B. in einer Rechtskehre, die wir gerade ziemlich weit links angehen, weil kein Gegenverkehr von oben kommt. Genau in dem Moment setzen 3 Motorradfahrer zum Überholen an, was bei denen ja wegen der hohen Geschwindigkeit sekundenschnell erfolgt. Der Letzte befindet sich genau auf unserer Motorhaubenhöhe, lehnt sich wie üblich rechts zur Seite und zieht vor unsere Schnauze. Hätte Adriano nicht noch schnell etwas gebremst, hätten wir ihn erwischt.

Die Strecke ist landschaftlich wunderschön, aber wir können es kaum genießen. Adriano arbeitet sich hochkonzentriert durch die Kurven und ich filme, was das Zeug hält, denn ich möchte hinterher möglichst nahe eine Art Live-Mitschnitt für unsere YT-Zuschauer produzieren. Schorschi schlägt sich mit seinen „nur“ 140 PS tapfer, aber viel schneller als 30 kmh schafft er nicht.

Nach 45 Minuten brauchen wir drei – Adriano, Schorschi und ich – eine Verschnaufpause und da bietet sich der Berggasthof Franzenshöhe auf 2.188 Metern direkt in Kehre 22 an.

Achtung: sehr langsame Radfahrer
Blick auf Ortler

Franzenshöhe

Von hier aus hat man einen herrlichen Blick auf den 3.905 Meter hohen Ortler. Der Gletscher unterhalb des Gipfels ist in den vergangenen warmen Jahren zurück gegangen, aber Im Internet habe ich eine alte Postkartenansicht aus der Mitte des letzten Jahrhunderts gefunden, die zeigt, wie das mal aussah.

Auf der anderen Seite ragt imposant die Steilwand mit Stilfser Joch empor und man kann gut die letzten 25 Kehren erkennen. Sechseinhalb km mit 560 Höhenmetern liegen gleich noch vor uns. Von Prad bis hierher haben wir eine Dreiviertelstunde gebraucht – bis ganz nach oben sind es bei unserem Tempo sicher nochmal 20 Minuten.

Dass das Stilfser Joch immer noch für manches Fahrzeug eine Herausforderung sein kann, sehen wir auch hier an der Franzenshöhe. Ein Womo-Fahrer steht mit geöffneter Motorhaube auf dem Parkplatz und kontrolliert den Ölstand. Wir essen ein Speckbrettl im Gasthof auf der schönen Außenterrasse, Schorschi kann währenddessen abkühlen, und nach 1 Stunde können wir frisch gestärkt die letzten Kehren in Angriff nehmen. 

Berggasthaus Franzenshöhe
noch 560 Höhenmeter bis zum Pass

Passhöhe

Die letzten 26 Kehren folgen recht schnell hintereinander und so erreichen wir tatsächlich nach 20 Minuten das Stilfser Joch. Mein Gott – was für ein Trubel! Hier oben gibt es jede Menge Hotels, Bars, Restaurants und Souvenirshops. Alle möchten ein Foto vor dem Passschild machen und stehen Schlange. Radfahrer taumeln nach der Anstrengung und beachten kaum den ankommenden Verkehr, Motorradfahrer flitzen rechts und links vorbei und manövrieren sich durch die Menge. Wir müssen etwas auf der Westseite runter fahren, um auf einem großen Parkplatz den Camper abstellen zu können. Zu Fuß geht es dann zurück zur Passhöhe, denn auch wir möchten natürlich die obligatorischen Bilder machen 😄.

Auf dem Pass-Schild fällt sofort der Begriff „Cima Coppi“ auf und wir fragen uns, was das bedeutet? Unsere Recherche ergibt, das dies den höchsten Punkt bezeichnet, der beim Giro d’Italia, dem bedeutendsten italienischen Etappenrennen im Radsport, überquert wird. Das Stilfser Joch war schon ein paar Mal genau dieser höchste Punkt und die Bezeichnung ehrt den legendären Radrennfahrer Fausto Coppi, der fünf Mal den Giro d’Italia gewann und für den es hier sogar ein Denkmal gibt. 

Über dem ganzen Gelände liegt ein Geruch von Motoröl und Grillfleisch, denn es gibt 2 große Verpflegungsstände mit entsprechendem Angebot. Nach einer Viertelstunde haben wir genug von dem Rummel und fahren Richtung Umbrailpass, der nur wenig unterhalb dem Stilfser Joch auf der Westseite liegt.

Tipp: Nach unserer Tour habe ich eine Internetseite mit Webcam vom Stilfser Joch entdeckt. Hier kann man auch Aufnahmen aus dem Archiv abrufen und ratet mal, wen ich hier am 25.06. um 14:30 entdeckt habe? Genau – unseren Schorschi, der gerade Kehre 4 durchfährt 😃. Wenn ihr mal hier hoch fahrt, schaut hinterher doch auch nach, ob ihr in den Archivaufnahmen zu sehen seid.

Webcam auf www. webcam.myortler.it

Umbrailpass

Der Umbrailpass hatte im Mittelalter eine größere Bedeutung als das Stilfser Joch. Er war eine wichtige Verbindung für den Handelsverkehr, weil die Brenneroute zu dem Zeitpunkt noch nicht so gut ausgebaut war.  Die Grenzstation ist seit dem Beitritt der Schweiz zum Schengener Abkommen nicht mehr besetzt. Einmal am Tag hält hier an der höchsten Bushaltestelle der Schweiz das Postauto und bringt Fahrgäste vom Münstertal zum Stilfser Joch oder nach Bormio und wieder zurück. 

Hier erwartet uns das totale Kontrastprogramm! Stille und Ruhe, kaum motorisierter Verkehr. Es ist allerdings schon spät am Nachmittag – vielleicht liegt es daran. Es ist der perfekt Ort, um mit Aussicht aufs Stilfser Joch eine Kaffeepause zu machen und zu überlegen, wo wir heute schlafen. Denn hier in Graubünden gilt wieder ein absolutes Freistehverbot und wir werden einen Campingplatz aufsuchen müssen. Wenn man unbedingt hier in der Höhe übernachten möchte, müsste man das auf einem der Parkplätze ohne Verbotsschild am Stilfser Joch tun. Dort scheint es noch geduldet zu sein – trotz des allgemeinen Freistehverbots in Italien. Da wir das aber nicht ausprobiert haben, können wir für nichts garantieren.

Blick vom Stilfser Joch Richtung Westen
Blick vom Umbrailpass zum Stilfser Joch

Abschluss der Pässerunde in Santa Maria (Val Müstair)

Nach Abfahrt vom Umbrailpass schließt sich unsere kleine Pässerunde in Santa Maria im Schweizer Münstertal. Gestern sind wir vom Ofenpass kommend durch den Ort und geradeaus über die Südtiroler Grenze nach Glurns gefahren, unserem Ausgangspunkt für die Befahrung des Stilfser Jochs. Wir werden jetzt im Gasthaus Süsom-Givé am Ofenpass etwas essen, in Zernez übernachten und am nächsten Tag über den Flüelapass nach Hause fahren.